Selbst ist der Mensch

Während meines Zivildienstes habe ich für den Malteser Hilfsdienst in Kempen gearbeitet. In dieser Zeit haben ich vor allem Menschen mit körperlichen und geistigen Beeinträchtigungen zu ihren Arbeitsplätzen oder in die Schule gefahren. Das war eine prägende Zeit für mich mit vielen guten Erfahrungen. Spätestens in meinem Studium, als ich eine Arbeit zum Thema "Wie Menschen mit und ohne Gehörschädigung miteinander beten können." geschrieben habe, ist mir klar geworden, dass Barrierefreiheit etwas ist, das alle angeht: Angefangen bei Kurz- oder Weitsichtigkeit, über Schwerhörigkeit, Konzentrationsschwächen oder Demenz bis hin zur völligen geistigen Abwesenheit oder Ganzkörperlähmung sind die Grenzen von Beeinträchtigungen aller Art vollkommen fließend.
Das Leben mit einer Behinderung, ganz gleich welcher Art oder Ausprägung, bringt gewisse Herausforderungen mit sich, die sich mal mehr oder mal weniger in unserem Alltag bemerkbar machen. Dank immer ausgeklügelter technischer Möglichkeiten lassen sich viele Handicaps bereits sehr gut ausgleichen: Für Sehschwächen gibt es Sehhilfen, für Hörschwächen Hörgeräte, Aufzüge und Treppenlifts machen Menschen mit Gehbehinderungen das Leben einfacher. Ja, selbst Motorrad- und Autofahren können mittels ausgefeilter Hilfsmittel trotz einer Querschnittslähmung möglich gemacht werden.
Wilhelm Költgen aus Krefeld hat sich auf die Umrüstung von Kraftfahrzeugen für Menschen mit körperlichen Beeinträchtigungen spezialisiert. Ihm selbst fehlt die rechte Hand, was ihn aber nicht davon abhält seiner Leidenschaft, dem Motorradfahren, nachzugehen. Dank einer selbst eingebauten Vorrichtung ist das Motorradfahren für ihn kein Problem mehr. Mit seiner Motorradwerkstatt, in der er mittlerweile auch Autos umrüstet, macht er diese Techniken auch anderen Menschen zugänglich. Seine individuellen Umbauten machen es beispielsweise möglich, Autos und Motorräder ohne Fußpedale und mit nur einer Hand zu steuern oder Rollstühle einfach zu be- und entladen. (mehr dazu unter: www.koeltgen.de)
©KÖLTGEN GmbH
Obwohl ich nur eine Sehschwäche habe und -außer auf eine Brille- auf keine weiteren Hilfsmittel angewiesen bin, weiß ich die Arbeit von Herrn Költgens sehr zu schätzen, denn sie verschafft Menschen Unabhängigkeit. Unabhängig von der dauerhaften Hilfe anderer zu sein, ist ganz wichtig für die persönliche Identitätsentwicklung und Lebensgestaltung. Den Drang, Dinge selbst machen zu wollen, verspüren schon Kinder. Kann diesem Drang durch ein vermeintlich unüberwindbares Hindernis nicht nachgegangen werden, sorgt das für Frust und schränkt auf Dauer die Lebensqualität massiv ein. Man stelle sich nur mal vor, es gäbe keine Brillen oder Lupen und alle Brillenträger müssten immer jemanden fragen, der einem die Zeitung vorliest...
Dank moderner Technik und der Arbeit von Menschen wie Herrn Költgen können immer mehr Menschen ihr Leben selbst in die Hand nehmen und das Lebensgefühl genießen, dass wir "Freiheit" nennen :-)