Bester Chef

Musstest du dir schon einmal von jemanden anhören: "Lehrjahre sind keinen Herrenjahre?"
Das sagt man oft zu Menschen, die sich in Ausbildungsverhältnissen befinden, um ihnen zu klar zu machen, dass man während dieser Zeit die Anweisungen des/r Lehrmeister:in zu befolgen hat; auch wenn sie einem nicht passen oder total unsinnig sind. Ich würde behaupten die meisten Menschen befinden sich irgendwann in ihrem Leben mal in so einer Situation. Glück hat, wer eine/n gute/n Lehrmeister:in erwischt.
Glück in dieser Hinsicht hatte auch Laye Fodé Traoré, ein 18-jähriger Bäckerlehrling in Besançon (Frankreich), der als unbegleiteter minderjähriger Flüchtling nach Frankreich gekommen ist. Aufgrund seiner Volljährigkeit sollte er nun nach Willen der französischen Behörden wieder in sein Ursprungsland Guinea abgeschoben werden, obwohl er bereits seit September 2019 bei Bäckermeister Stéphane Ravacley erfolgreich in Ausbildung ist.
Um die Abschiebung seines Lehrlings zu verhindern, ist er in den Hungerstreik getreten. "Ich werde nicht aufhören, bis ich etwas erreicht habe", sagt er, auch entgegen der Warnung seiner Ärzte. Dabei ist Ravacley nicht alleine: Rund 140.000 Menschen unterstützen seine Petition für den Verbleib von Laye Fodé Traoré, um wenigstens seine Ausbildung zu Ende bringen zu können. Die Chancen stehen nicht schlecht, hat sich doch selbst die Bürgermeisterin des Ortes an den französischen Innenminister Gérald Darmanin gewandt und die Abschiebung "dieses künftigen Bäckers (als) nicht nachvollziehbar" erklärt. Stand heute liegt er nämlich mittlerweile im Krankenhaus. Immerhin hat sich Präsident Macron inzwischen wohlwollend dazu geäußert.
Ich drücken den beiden und all ihren Unterstützer:innen die Daumen, dass ihr Vorhaben gelingen möge und das Ganze ein gutes Ende nimmt. Einen Chef, der für seine Angestellten in den Hungerstreik treten würde, sieht man auch nicht alle Tage. Vielen ehemaligen Flüchtlingen in Ausbildung drohte und droht ein ähnliches Schicksal, nicht nur in Frankreich. Meiner Meinung nach sollte solch eine Abschiebepraxis hinterfragt werden: Gerade in handwerklichen Berufen fehlt es an interessierten und qualifizierten Mitbürger:innen. Wieso diese Chance nun verstreichen lassen? Wo ehemaligen Geflüchteten erfolgreich in Ausbildung sind, handelt es sich meiner Meinung nach um eine typische Win-Win-Situation für die ganze Gesellschaft. Integration kann gar nicht besser funktionieren :-)